Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene

Veröffentlicht am 9. Mai 2016 in der Kategorie

Schutzbedürftige, die sich im Sommer 2015 hinter den Toren des Lagers in Traiskirchen kennengelernt haben, performen Stücke aus Elfriede Jelineks Text „Die Schutzbefohlenen“.

Bernhard Dechant als verzweifelt überforderter Angestellter der ORS – Organisation für Regie und Spezialaufträge – , der Betreiberfirma des Erstaufnahmelagers Traiskirchen, leitet den Chor der Deutsch lernenden Flüchtlinge. Auf die Frage: „Wann sind wir wieder wer?“ hat er keine Antwort.

Jelineks Text ist die Spinne, die Fäden spinnt zwischen Menschen im Publikum, die ein leerstehendes Zimmer haben und Menschen auf der Bühne, die seit 5 Monaten in Traiskirchen hausen müssen. Zwischen Menschen, die in Syrien und dem Libanon im Theater das Publikum fesselten und solchen, die noch nie ein syrisches oder libanesisches Theaterstück gesehen haben. Zwischen Menschen, die sich schämen, weil sie um Hilfe bitten müssen und Menschen, die sich schämen, dringend benötigte Hilfe nicht geben zu dürfen.

Dabei spielt der Irrsinn der Flüchtlingspolitik Coregisseur: Schauspieler wurden nach Dublin-Verordnung abgeschoben oder nach Vorarlberg transferiert und von neu Ankommenden ersetzt. Das Ensemble wurde von frustrierten jungen Männern als Projektionsfläche für ihre Angst vor der Komplexität der Verhältnisse auserkoren und auf der Bühne während der Vorstellung attackiert.

Obwohl viele der geflüchteten SchauspielerInnen den Angriff als traumatisches Déjà-vu der Brutalitäten, denen sie in Syrien, in Afghanistan, im Irak entkommen waren, erlebt haben, entschlossen sie sich trotzdem das Stück weiterhin aufzuführen.

Für ihre Kombination aus mitreißender Performance und sozialer Verantwortung wurde “Die Schweigende Mehrheit” und ihre Produktion „Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene“ beim Nestroypreis 2015 ausgezeichnet mit einem Spezialpreis.

Uni Graz/Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft und ISOP in Kooperation mit ÖH Uni Graz, Interact, huk – Forschungsschwerpunkt Heterogenität und Kohäsion sowie Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik

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