
Erinnerungen an Andrea Tybery – Abschiedsfeier, 21.1.2021
Vor einigen Jahren haben Andrea und ich uns beim Begräbnis des Grazer Regisseurs und Dichters Ernst M. Binder getroffen. Von diesem stammen die schönen Worte, dass „es keinen wirklichen Glückszustand gibt, der das Leid und die Verzweiflung, die Hoffnung und die Sehnsucht ausklammert.“
In den letzten Tagen haben wir uns in vielen Gesprächen bei ISOP an Andrea erinnert. Knapp zwanzig Jahre hat Andrea in unserer Einrichtung gearbeitet. Für viele von uns war sie weit mehr als nur eine Kollegin, die in Deutschkursen unterrichtet hat. Sie war eine hervorragende Lehrerin, die den Kursteilnehmenden fachlich viel vermittelt hat. Bei ihr ist es aber nie nur um das Lernen gegangen, sondern es sind tatsächlich und ganz konkret die Menschen im Mittelpunkt gestanden, oft mit ihren sozialen Anliegen und auch Nöten. Wann immer möglich hat sie versucht, diesen behilflich zu sein.
Inge Aftenberger, eine langjährige Kollegin bei ISOP hat mir erzählt, dass Andrea anlässlich ihrer Pensionierung gemeint hat, dass der Einstieg bei ISOP der Beginn einer Zeit war, die ihr Leben bereichert hat. Ein offener, neugieriger und einfühlsamer Umgang mit Menschen in all ihrer Vielfalt ist Reichtum. Andrea war Teil dieses Reichtums und hat ihn ganz maßgeblich mitgestaltet.
Was bleibt angesichts der Trauer?
Was bleibt und nicht vergessen werden wird, sind die vielen beglückenden Erinnerungen daran, wie du Menschen aus unzähligen Ländern dieser Welt dabei begleitet hast, hier in Österreich Fuß zu fassen.
Was bleibt im Augenblick des Abschiednehmens?
Viele Erinnerungen an dich als Kollegin in deinem rücksichtsvollen, kreativen und teamorientierten Umgang mit Menschen.
Erinnerungen an einen sensiblen und verletzlichen Menschen, an eine warmherzige und oft sehr humorvolle Frau.
Erinnerungen an eine kunstsinnige Frau und Gespräche über Musik und Literatur oder auch die kreative Gestaltung des Unterrichts.
Romana hat mir erzählt, dass Andrea eine Weltreise in all jene Länder, aus denen ihre KursteilnehmerInnen stammen, geplant hat. Das wäre eine sehr lange Reise geworden, die nun nicht mehr stattfinden kann. Aber auch ein Spaziergang durch Graz, wo sich die große Welt in der kleinen widerspiegelt, ist eine Reise durch die Welt. Oft bin ich dabei KursteilnehmerInnen begegnet, die mir erzählt haben, wie wichtig Andrea für sie war.
Dies alles bleibt und ist nicht tot!
Vor vielen Jahren sind Andrea und ich uns, wenn ich mich recht entsinne, bei einem Konzert von Tomasz Stańko begegnet, jenes polnischen Trompeters und Klangpoeten, der Verse von Wislawa Szymborska in musikalische Klänge übersetzt hat. Szymborska spricht an einer Stelle davon, dass in Augenblicken der Lebendigkeit Menschen unsterblich sind.
Erinnerungen an dich, Andrea, sind Augenblicke der Lebendigkeit und damit Unsterblichkeit, die dem Tod entrissen werden.
Danke, liebe Andrea, für die gemeinsamen Stationen auf der Reise durch das Leben, im Namen von ISOP und ganz persönlich!
Robert Reithofer, Jänner 2021