Der Vogel war nur ein Vogel. Ausgewählte Gedichte
Vom Erbeben der Welt in den Gedichten Forough Farrokhzads
Vorbemerkungen
von Robert Reithofer, ISOP
Die Gedichte Forough Farrokhzads erzählen von Grenzüberschreitungen und Verweigerungen, davon, sich nicht von gesellschaftlichen Konventionen vereinnahmen zu lassen. Mit ihrer Lyrik ist die iranische Dichterin Forough Farrokhzad aus den Gefängniszellen der Tradition ausgebrochen, ihr ganz eigener und heutiger Tonfall spricht uns Jahrzehnte nach ihrem Tod unmittelbar an. So sehr Forough Farrokhzad nur aus der Tradition persischer Dichtkunst zu verstehen ist, so hat sie mit dieser doch gleichzeitig gebrochen. Ihr Schreiben ist lesbar als eine Suche nach einem Blick jenseits der Starrheit des Todes, der Menschen zu leblosen Aufziehpuppen degenerieren lässt.
Wenn im Gedicht „Irdische Offenbarung“ die gefangene Stimme verzweifelt danach fragt, ob sie „durch diese widerwärtige Nacht hindurch irgendwann das Licht erreichen“ kann, dann erinnere ich mich an die wunderbaren poetischen Annäherungen Bernadette Schiefers an den Sufimystiker und Lyriker Rumi, die sie vor einigen Jahren für das ISOP-Projekt „Ohne Angst verschieden sein“ unternommen hat. Vom Überschreiten aller Grenzen durch die Liebe spricht Rumi und von der Erwartung Licht zu sein, womit sich Rumi und Forough Farrokhzad über die Jahrhunderte bei aller Unterschiedlichkeit berühren. Ihre Lyrik lässt die Welt erbeben. Etwas vom Erbeben der Welt in den Gedichten Forough Farrokhzads in deutscher Sprache zu vermitteln, war Anlass dafür, Bernadette Schiefer und Maryam Mohammadi miteinander bekannt zu machen. Abgrenzungen verursachen Wunden und Verletzungen, Bernadette Schiefer und Maryam Mohammadi dagegen lassen in den Übertragungen der Gedichte Forough Farrokhzads Grenzen zu lebendigen Orten der Begegnung werden.
Geschenk
Ich spreche aus der Tiefe der Nacht
Aus der Tiefe der Dunkelheit
Und aus der Tiefe der Nacht spreche ich
Wenn du in mein Haus kommst, mein Freund,
bringe eine Lampe und ein Fenster mit,
durch das ich auf
die Menge in der fröhlichen Gasse sehen kann.