Neue Heimaten? Ein Versuch
Verborgene Lebensgeschichten erzählen
Vorbemerkungen von Robert Reithofer
Immer wieder bekommen wir in den Diskussionen um Migration und Integration die gleichen Klischees, Vorurteile und Rassismen zu hören. Schärfere Bestimmungen im Asyl- und Fremdenrecht fordern die einen, vermeintlich wohlmeinende, weltoffene Stimmen dagegen stellen die Frage nach dem Umgang mit angeblich so ganz anderen fremden Kulturen. Wenn dann das Ende der multikulturellen Illusion konstatiert wird, vermitteln nicht wenige einen fast erleichterten Eindruck. Diese ganz unterschiedlich gelagerten Diskurse haben letztendlich eines gemeinsam: sie setzen sich kaum einmal ernsthaft mit den sozialen Alltagsrealitäten von Menschen, die zugewandert sind, auseinander. Noch immer wird darüber diskutiert, ob Österreich eine Einwanderungsgesellschaft sei. Und wenn dies bejaht wird, wird gleichwohl ein zaghaftes und relativierendes Ja, aber angefügt.
Die Arbeiten von Maruša Krese und Meta Krese setzen dazu einen Kontrapunkt. In unterschiedlichen Projekten von ISOP haben die beiden KünstlerInnen in den letzten Jahren das Gespräch mit MigrantInnen aus der Türkei gesucht. Unter dem von Adorno geliehenen Titel „Ohne Angst verschieden sein“ sind sie im Rahmen des Kulturfestivals regionale08 den Spuren der Migration zwischen Feldbach, Konya und Diyarbakır gefolgt. Seither haben sie sich weiterhin regelmäßig mit zugewanderten Familien im oststeirischen Feldbach getroffen. Sichtbar gemacht werden derart verborgene Lebensgeschichten, die keinem geschönten, aber immer respektvollen Blick geschuldet sind.
Das Sprechen über Integration ist zumeist ein leeres Gerede, meint eine Gesprächspartnerin. Beklagt wird, dass kaum Kontakte zu Einheimischen gelingen, dass man nicht freiwillig im Ghetto lebt, aber nur in bestimmten Gegenden leistbare Wohnungen findet. Die reduzierte Wahrnehmung als ungebildete Hilfskräfte wird auch auf jene MigrantInnen übertragen, die über gute Qualifikationen verfügen. Hier ist ein wirkliches Ausland, konstatiert Maruša Krese. Dieses Ausland hat wohl zwei Seiten. So manche MigrantInnen sind nicht wirklich angekommen in Österreich. Zerrissenheit ist eine prägende Lebenserfahrung, der Kampf ums Überleben ein fixer Lebensbestandteil. Das Nicht-Ankommen aber hat seine Ursache ganz wesentlich in einer Gesellschaft, die eine Zuwanderungsgesellschaft wider Willen ist. MigrantInnen sind danach die anderen, denen Zugehörigkeit schwer, nicht selten unmöglich gemacht wird. Deren oft schon in der Steiermark geborene Kinder haben gleichzeitig Heimweh, Heimweh nach Österreich, wenn sie auf Urlaub in der Türkei sind.
Gewollt oder nicht gewollt: Migration ist unwiderruflich Alltag, verbunden mit oft schwierigen und zermürbenden Erfahrungen. Das können wir aus den Alltagsgeschichten, die uns erzählt werden, lernen, vor allem die Aufnahmegesellschaft sollte dies lernen. Immerhin steht damit die Frage der Menschenrechte, der Zugehörigkeit jenseits nationalistischer Grenzziehungen an, in den Worten Maruša Kreses die Frage danach, was Menschen gerecht wird, in all ihrer Verschiedenheit, konkret und alltäglich.