Ohne Angst verschieden sein
Kommt, seht her, schreibt Maruša Krese und nimmt damit den über die Jahrhunderte nachklingenden Ruf Dschalal ad-Din Rumis auf: Komm, komm … wer immer du bist, Wanderer, Götzenanbeter.
Offenheit, Respekt und Solidarität jenseits nationalistischer Identitäts- festschreibungen sind im Jahrhundert der Migration dringlicher denn je. Vor diesem Hintergrund umkreisen die Beiträge des Buches die Frage, wie es möglich sein könnte, ohne Angst verschieden zu sein. Ausgangspunkt dafür war die kleine, in der Südoststeiermark gelegene Stadt Feldbach, Anlass die Durchführung eines Projektes von ISOP im Rahmen des Kulturfestivals Regionale08 unter dem Motto Diwan.
Bilder des Anderen durch Geschichten realer Menschen zu ersetzen, darum geht es Maruša und Meta Krese. Über mehrere Wochen besuchten die beiden Künstlerinnen in Feldbach türkische und kurdische Familien, knüpften Kontakte zu Verwandten in der Türkei und machten sich schließlich auf die Reise. Die Route führte von Konya über Mardin und Diyarbakır wieder zurück nach Feldbach. Die dabei entstandenen Fotos und Texte stellen das Herzstück des Buches dar, grenzüberschreitende Lebenszusammenhänge werden als nahe Fremde sichtbar.
Die Menschenrechtsaktivistin Sihem Bensedrine mahnt eine Korrektur der Bilder ein, sowohl was Klischeevorstellungen über „den“ Islam anlangt als auch die Migrationspolitik der EU. Diese opfert aus Angst vor Migration in Kooperation mit den arabischen Regierungen die Menschenrechte einer rigorosen Sicherheitsdoktrin. Migration und Tourismus als Fliehkräfte des Gesellschaftlichen analysiert Mark Terkessedis in seinem Beitrag.
Den Alptraum einer monokulturellen Gesellschaft kontrastiert Navid Kermani mit der Notwendigkeit einer europäischen Identität, die nicht auf einem Ausschluss des Islam basiert, während Joachim Hainzl auf lokaler Ebene den Spuren kultureller Vielfalt in Feldbach nachgeht. Dass existentielles Reisen längst nicht der Vergangenheit angehört, betont Ilija Trojanow. Eine spirituelle Reise empfinden die Übersetzungen Bernadette Schiefers von Gedichten Rumis nach, jenes anarchistischen Sufimystikers, der die letzten Jahrzehnte seines Lebens in Konya wirkte, von wo viele der in Feldbach lebenden MigrantInnen kommen.