Ich bin ich, weil du du bist. Interkulturelles Kaleidoskop 1998/12

Ich bin ich, weil du du bist.
Interkulturelles Kaleidoskop

Die Österreicher als Herren der Toten
Elfriede Jelinek

„Ausländer raus“ war früher ein Slogan der extremsten außerparlamentarischen Rechten, die (damals noch) verboten wurde, inzwischen würde so ein Wahlkampfruf keinen mehr irritieren, fürchte ich. Und vor den nächsten Kämpfen habe ich jetzt schon Angst. Es gibt nämlich immer neue Wahlen, und sie werden immer häufiger zeigen: Bald dürfen wir sie endlich ganz aufessen, diese Früchte, die wir gesät haben und endlich ernten wollen. Wir und nur wir: so nah und doch so schwer zu fassen, weil wir auf Nichts gegründet sind, auf das Zunichtemachen von anderen.

In den Staub unserer Volksmusik, unserer Mozartbeschwörungen und unserer walzertanzenden weißen Pferde sind wir endlos und immer wieder geworfen. Unsere Identität beruht auf der Aufhebung fremder Identität. Und wenn wir nach ihr wühlen, wenn wir in unseren beliebten Delikatessen, Sachertorte, Schlagobers, Apfelstrudel in der Truhe herumstieren, finden wir immer nur: nichts, denn diese schönen Dinge, durch die wir uns von den anderen abzuheben trachten, sind in dem Augenblick in sich aufgehoben, fallen zu Null zusammen, da es den anderen durch unsere Schuld nicht mehr gibt – „aus Nichts ins Nichts. Hart zwischen Nichts und Nichts“ (Kleist).