Perspektivenlos!? Zur Lebenssituation von Migrantenjugendlichen 1996/4

(K)ein Recht auf Sprache!?
Deutsch als Zweitsprache und sozialpädagogische Arbeit mit MigrantInnen

Zweisprachigkeit und Identität
Gero Fischer

Für jeden Menschen  ist die Sprache der Kindheit, in der Regel die Muttersprache, die Sprache der Gefühle und der Beziehungen. Wenn nun im Zuge des Paradigmenwechsels infolge des Assimilationsdruckes die eigene Muttersprache unterdrückt wird, so wird auch die eigene Kindheit verdrängt.

„Wenn jemand die Sprache seiner Kindheit weglegt wie ein Hemd, zahlt er einen hohen Preis dafür. Er behindert seine eigene sprachliche Entwicklung und damit auch seine geistige Entwicklung, und zwar trotz der neuen Sprache, die er statt der Kindheitssprache lernt. Er bindet seine emotionale Energie an Verdrängungsarbeit und behindert damit die Entwicklung einer persönlichen Identität“ (Larcher 1991:136).

Assimilation ist ein Unterdrückungs- und Zerstörungsprozeß. Die Verletzungen und Erfahrungen der eigenen Zerstörung werden verdrängt, die Identität der Zerstörer wird auf die Ruinen der eigenen Identität gestülpt. Im gegebenen Fall geben die Assimilierten diese Verletzungen an Menschen mit ähnlichen Biographien und Schicksalen weiter (etwa so, daß bereits assimilierte MigrantInnen neuen Zuwandern mir derselben Intoleranz und Ablehnung begegnen, wie sie selbst sie zur Zeit ihrer Zuwanderung erfahren haben).