Wer ist da integrationsunwillig?
Es ist beschämend, wie die steirische Landesregierung auf dem Rücken von Menschen mit Migrationshintergrund Vorwahlkampf betreibt. Auf Anregung von Landeshauptmann Voves haben SPÖ, ÖVP und FPÖ im Landtag beschlossen, Tatbestände der „Integrationsunwilligkeit“ zu erheben und in Folge rechtlich zu sanktionieren. Dieser Beschluss des steirischen Landtages steht im diametralen Widerspruch zur Charta des Zusammenlebens, die die steirische Regierung vor wenigen Jahren beschlossen hat. Statt für ein Zusammenleben in Vielfalt und ohne Diskriminierung einzutreten, werden Ressentiments gegenüber zugewanderten Menschen geschürt. Der Justizminister hat kürzlich darauf verwiesen, dass in Zusammenhang mit sogenannten „Integrationsproblemen“ kaum neue Gesetze notwendig sind.
Es ist zynisch, wie in diesem Landtagsantrag ohne jegliche Selbstkritik davon die Rede ist, dass alle Menschen das Recht und die Pflicht auf Teilhabe in der Gesellschaft haben. Menschen mit Migrationshintergrund wird es in unserer Gesellschaft vielfach sehr schwer gemacht. Ein ungewohnt klingender Name, eine dunkle Hautfarbe oder das Tragen eines Kopftuches sind immer wieder Gründe dafür, im Alltag und bei der Arbeitssuche diskriminiert zu werden. Von Armut und Arbeitslosigkeit sind Menschen mit Migrationshintergrund weit überproportional betroffen, weil sie strukturell benachteiligt werden und nicht, weil sie nicht arbeiten wollen. AsylwerberInnen ist es bekanntlich bis auf ganz wenige Ausnahmen überhaupt verboten zu arbeiten.
Es ist absurd, wenn eingemahnt wird, dass auch zugewanderte Menschen die europäische Werteordnung und den demokratischen Rechtsstaat akzeptieren müssen. Vielmehr sollte es um die universelle und gleichzeitig individuelle Gültigkeit von Menschenrechten für alle Menschen dieser Welt gehen. Zugewanderte Menschen, die schon seit vielen Jahren in der Steiermark leben, verfügen vielfach über kein Wahlrecht. Diesen Menschen dann auch noch mangelnde Teilhabe am demokratischen Gemeinwesen vorzuwerfen, ist einfach unfair.
Der Begriff Integration trägt wenig zu sachlichen Diskussionen bei, weil er zumeist missverständlich verwendet wird. Wenn aber schon von Integrationsunwilligkeit die Rede ist, sollte auch auf die Unwilligkeit politisch Verantwortlicher eingegangen werden, die Bedürfnisse von Menschen, die sich nicht so einfach Gehör verschaffen können, wahrzunehmen.
Mag. Robert Reithofer, ISOP
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Aufgrund der Berichterstattung in den Medien erging am 3. Februar 2015 die nachfolgende Reaktion von Mag. Robert Reithofer an die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP, auf deren Initiative hin der Landtagsantrag zum Thema “Tatbestände der Integrationsunwilligkeit” eingebracht wurde.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wende mich aufgrund des Berichtes von Herrn Gerhard Felbinger unter dem Titel “Skurille Integrationsdebatte” (Kronenzeitung, 3.2.2015) nochmals an Sie, weil darin auf mein Schreiben, das ich letzte Woche an Sie übermittelt habe, Bezug genommen wird.
In dem Zusammenhang ist es mir wichtig, einige ergänzende Anmerkungen zu machen. Die Begriffe, die ich in diesem Schreiben verwende, sind kritisch und emotional gehalten. Dies hat seinen Grund insbesondere darin, dass ich vor meiner Tätigkeit bei ISOP über viele Jahre bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International engagiert war. Über weltanschauliche Grenzen hinweg für die universelle Gültigkeit der Menschenrechte einzutreten, ist mir seit damals ein Anliegen, bei dem ich zu Fundamentalismus neige, so sehr ich ansonsten Pragmatismus im Zusammenleben für eine wichtige und sympathische Eigenschaft halte.
Grundsätzlich ist es für mich unabdingbar wichtig, dass alle Menschen dieser Welt die gleichen Rechte und Pflichten haben. Vor diesem Hintergrund versuche ich meine Kritik zu formulieren.
- Gemäß Landtagsantrag, der von SPÖ und ÖVP eingebracht wurde, sollen Tatbestände der Integrationsunwilligkeit erhoben und in Folge rechtliche Möglichkeiten der Ahndung erarbeitet werden. Dies bezieht sich aber ausschließlich auf Menschen mit Migrationshintergrund, was eine Sondergesetzgebung zur Folge hätte, die aus meiner Sicht nicht vereinbar mit Grundsätzen des Rechtsstaates ist.
- Gesellschaftliche Probleme mit Einstellungs- und Verhaltensweisen von Menschen mit Migrationshintergrund zu begründen, ist meiner Meinung nach faktisch falsch und fördert Ressentiments und die Spaltung der Gesellschaft.
- Zynisch ist es zu fordern, dass alle Menschen das Recht und die Pflicht auf Teilhabe in der Gesellschaft haben sollten, aber (wie in meinem Schreiben beispielhaft illustriert) Menschen mit Migrationshintergrund, denen Teilhabe schwer gemacht wird, dies dann auch noch von jenen zum Vorwurf gemacht wird, die dafür verantwortlich sind (in den Sphären von Politik, Gesellschaft , Bildung, Arbeitsmarkt und Alltag). Menschen mit Migrationshintergrund werden nämlich in diesen Bereichen strukturell durch die „Aufnahmegesellschaft“ benachteiligt.
- Zur Einforderung der Akzeptanz des demokratischen Rechtsstaates möchte ich anmerken, dass dies meiner Meinung nach dann absurd ist, wenn gleichzeitig vielen Menschen das Wahlrecht vorenthalten wird, obwohl sie schon lange in Österreich leben. In Wien ist bekanntlich in manchen Bezirken die Mehrheit der Wohnbevölkerung nicht wahlberechtigt.
- Zur Akzeptanz der europäischen Werteordnung möchte ich anmerken, dass ich wie in meinem Schreiben angesprochen, die Akzeptanz der universell und gleichzeitig individuell gültigen Menschenrechte für vordringlich halte, weil ja auch Menschen außerhalb Europas über Werte verfügen, die den Menschenrechten entsprechen. Rosa Parks, Mahatma Gandhi und Nelson Mandela haben sich in vorbildhafter Weise für gleiche Rechte von Menschen eingesetzt, die in Einklang mit der europäischen Werteordnung stehen, gleichwohl wäre es absurd bzw. sachlich falsch, in diesem Zusammenhang Menschenrechte auf europäische Werte und Rechte einzugrenzen.
Ich argumentiere also selbstverständlich nicht dagegen, dass alle in der Steiermark lebenden Menschen auch die europäische Werteordnung akzeptieren müssen, die ja nicht den Menschenrechten widerspricht, ihr allerdings untergeordnet ist. Allerdings halte ich es für ausgrenzend und teils rassistisch, wenn Menschen, die in die Steiermark flüchten oder zuwandern, unterstellt wird, dass sie keine Werte von außerhalb Europas mitbringen und deswegen auf einem niedrigeren Zivilisationsstand wären.
Zur Illustration dessen, was ich damit meine, schicke ich Ihnen im Wortlaut ein Mail (ohne Namensnennung, weil es mir nur um die sachliche Ebene geht), das ich heute erhalten habe, wobei ich nicht die Kritik an meiner Person für ein Problem halte, allerdings die daran anschließenden Bemerkungen.
„Wenn es stimmt, was in der KRONE steht, so ist das ein Skandal ! Was muss das für ein hirnloser ignoranter Volldepp sein, der es als absurd findet, “dass auch zugewanderte Menschen die europäische Werteordnung und den demokratischen Rechtstaat akzeptieren müssen” ! Wenn sich ein Zuwanderer ordentlich benimmt, arbeitet und sich den österreichischen Gesetzen und Wertnormen konform benimmt, so ist er herzlich willkommen. Wenn sich jedoch ein Zuwanderer finanziell vom österreichischen Steuerzahler unterstützen und verpflegen lässt und sich z.B. dennoch benimmt wie ein steinzeitlicher Affe, Frauen unterdrückt und als Untermenschen behandelt, mit der Lehrerin seiner Nachkommen nicht spricht, nur weil sie eine Frau ist und unsere europäische Werteordnung nicht akzeptiert, dann soll er sich gefälligst in seine islamistische Steinzeitheimat zurückschleichen und wieder ins Erdloch scheißen, statt sich von uns verwöhnen zu lassen. Und der österreichische Volldepp, der Nichts kapiert hat, soll ihn gefälligst in seine Heimat begleiten ! Islamisten, Dschihadisten, übermäßig gewaltbereite Migranten und sonstiges Gesindel, sowie hirnverbrannte Volltrottel brauchen wir nicht in Österreich!“
Abschließend möchte ich anmerken, dass ich mich über gemeinsame Diskussionen, die ein Zusammenleben in Vielfalt und ohne Diskriminierung zum Thema haben, sehr freuen würde, weil diese wichtiger denn je sind.
Mit freundlichen Grüßen
Mag. Robert Reithofer